Die meisten von uns haben auch noch ein normales Leben, mit dem sie sich rumschlagen müssen. Man muss arbeiten, oder lernen, oder beides, man zieht irgendwas Fieses aus dem Briefkasten, Familie, Freunde, Hamster wollen die Aufmerksamkeit, die ihnen zusteht (oder auch nicht). Man fühlt sich müde, leer im Kopf, hat keine Zeit mehr. Ideen hat man schon gar nicht. Mattscheibe. Man kann nicht verstehen, wie man sich am letzten Wochenende, als alles so gut lief und man in Hochstimmung war, in so eine Sackgasse schreiben konnte. Zumindest fühlt es sich wie eine Sackgasse an, um 2.00 Uhr nachts, mit einem neuen langen Tag vor sich.
Diese Tage sind in der Überzahl, und hier ist es enorm wichtig, die Nerven zu behalten. Man muss sich in seinem Projekt festbeißen wie Terrier mit Persönlichkeitsstörung. Man muss weiter machen. Ich bin kein Anhänger des beliebten Ratschlags, dass man "jeden Tag so und so viele Seiten schreiben sollte, egal wie schlecht und blöd das alles wird. Hauptsache, man hat etwas geschrieben."
Für mich persönlich ist diese Taktik kontraproduktiv. Wenn ich etwas schlechtes und blödes schreibe, alleine wegen schlechter Tagesform, ist das sehr schädlich für meine Motivation und mein Selbstwertgefühl als Schreiber. Einen besseren Nährboden für Selbstzweifel gibt es gar nicht, als einen schlampigen, stumpfsinnigen Text. Man gelangt schnell zu der - demoralisierenden - Fehleinschätzung, dass alles, was man sonst so tippt, genauso schlecht ist, und dann tippt man bald gar nichts mehr.
Nein, ich kann diesen Ansatz, der in vielen sogenannten Schreibschulen und von erfolgreichen Autoren gepredigt wird, nicht gutheißen. Wenn er für jemanden funktioniert, dann ist das schön. Mir bringt er nichts. Allen, die ähnlich ticken wie ich, kann ich für die zähen Stunden nur eines raten: man darf den Kontakt zu seinem Projekt nicht verlieren; unter keinen Umständen. Für jeden Tag, den man sich nicht mit seiner Geschichte befasst, verliert man noch mehr Zeit, und es wird immer schwerer, wieder in den Erzählfluss zurückzufinden. Wie hält man also den Kontakt aufrecht ? Man muss gar nicht viel tun, man muss auch nichts halbherziges schreiben. Man sollte einfach jeden Tag eine Weile mit der Geschichte und ihrem aktuellen Stand verbringen. Sich in Ruhe die letzten Seiten, oder das letzte Kapitel durchlesen, das man geschafft hat. Das ist auch eine gute Gelegenheit für Korrekturen, denn dafür ist immer Bedarf. Ich habe noch Monate nach Abschluss der Arbeit am Buch Tippfehler entdeckt. Aber auch für künstlerische Korrekturen ist sowas gut. Man kann sich überlegen, ob an einer gewissen Stelle eine andere Formulierung besser finden würde; oder es fällt auf, dass man ein relativ ungewöhnliches Wort auf kleinem Raum mehrfach benutzt hat, wodurch es seine Wirkung verliert; etc. etc.
Es gibt also immer etwas zu tun. Und auch wenn man nichts Halbherziges tippt, und obwohl man keine ersichtlichen Fortschritte macht, bleibt man doch sehr nah am Text. Man weiß genau, an welchem Punkt in der Erzählung man gerade steht, wie man da hingekommen ist und wie es weitergehen soll. Auf lange Sicht hat sich diese Arbeitsweise für mich bewährt.

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